90 Minuten lang Michael Haneke pur: der Mann, dem die Filmwelt zu Füßen liegt, ein Mann, der wie kein anderer Filmemacher der Gegenwart, einen konsequenten Weg gegangen ist, vom Fernsehregisseur zum Visionär des Kinos, den die Welt versteht – oder über die Jahre verstehen gelernt hat. Denn Haneke hatte es schwer im Kino: Seine ersten Filme, die in gewisser Weise noch radikaler waren als seine aktuellen, sahen sich vehementer Kritik ausgesetzt, wegen ihrer „Gewalttätigkeit“ und ihrer „Düsterkeit“. Dass Haneke in über 20 Jahren seit seinem Kinodebüt „Der siebente Kontinent“ (1989) nicht einen Millimeter von seiner Idee von Film abgewichen ist, erweist dieser hellsichtige und faszinierende Dokumentarfilm von Yves Montmayeur, einem engen Vertrauten Hanekes, der ihn seit Jahren mit der Kamera begleitet. Nicht nur Hanekes große Darstellerinnen wie Susanne Lothar, Juliette Binoche oder Isabelle Huppert kommen zu Wort; vor allem aber öffnet sich der immer wieder als „schwierig“ verschrieene Künstler und legt sein Inneres bloß. Mit Erstaunen erkennt man da nicht nur den großen Theoretiker und Praktiker Haneke, sondern auch einen warmherzigen, heiteren und vor allem in sich ruhenden Mann, der es geschafft hat, seine persönliche Vision zu leben und voranzutreiben und seine Kunst zur Meisterschaft zu erheben. Wie seine Filme schlüssige und präzise Kommentare zum Zustand der Welt sind, so sorgfältig und punktgenau sind auch Hanekes Überlegungen, die er vor (und hinter) der Kamera äußert. Indem sich Yves Montmayeur in seiner Doku, von „Amour“, dem aktuellen größten Erfolg dieses kosmopolitischen Österreichers ausgehend, in der Geschichte zurückbewegt, wird umso deutlicher, welch weiten und oftmals steinigen Weg dieser Mann zurückgelegt hat, um der Welt und dem Kino dieser Welt seinen persönlichen Stempel aufzudrücken.