Roger Fry ‒ Maler, Kurator, Kunstkritiker und -theoretiker in Personalunion ‒ hat in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wie kein Zweiter die Wahrnehmung von Kunst in Großbritannien beeinflusst. Fry war Mitglied der »Bloomsbury Group« um die Schwestern Virginia Woolf und Vanessa Bell und hat mit zwei skandalumwitterten Ausstellungen in London 1910 und 1912 bedeutende Vertreter der europäischen Malerei der Moderne, insbesondere Manet, Cézanne, Gauguin, Van Gogh und Matisse, unter dem von ihm geprägten Ausdruck »Post-Impressionisten« in der angelsächsischen Welt zuerst einem größeren Publikum bekannt gemacht. Mit diesem Band wird erstmals im deutschen Sprachraum eine Auswahl seiner kunsttheoretischen Schriften vorgelegt. Der »Versuch über Ästhetik« (1909), den Clive Bell als »hilfreichsten Beitrag zu dieser Wissenschaft ... seit den Tagen Kants« bezeichnete, gibt der kurz darauf in London ausgestellten Malerei das theoretische Fundament, indem Fry darin den Begriff einer Kunst entfaltet, die sich in der Moderne nicht mehr zur Nachahmung der Natur verpflichtet weiß. Weitere kleine Schriften, u.a. etwa »Das Sehen des Künstlers« (1919) oder »Der Künstler und die Psychoanalyse« (1924), machen manche im »Versuch über Ästhetik« nur angedeutete argumentative Zusammenhänge in einem breiteren Kontext verständlich.