Annika Schukies
Fesselndes Debut Als einen Thriller würde ich diesen Roman nicht bezeichnen, denn wer hier einen Haufen von Leichen erwartet, dürfte enttäuscht werden. Zwar bietet dieses Buch eine dichte Atmosphäre, aber die Spannung wird nicht durchgehend gehalten. Wer dagegen die Romane von Stephen King mag, dem dürfte „Der Kreidemann“ gefallen. Zwar gibt es keine übernatürlichen Elemente, aber die Autorin schildert die Kindheit in eine englischen Kleinstadt so, dass Erinnerungen Kings „Es“ oder „Stand By Me“ wach werden. C. J. Tudor schildert eindringlich, wie die scheinbar idyllische Kindheit sich langsam aber sicher mit dem Älterwerden verabschiedet, Freundschaften zerbrechen und auch das Böse Einzug nimmt - sei es durch Krankheiten, Eifersucht, Missgunst oder aber auch durch Gewalt. Es dauert lange, bis der Mord, um den es im Prolog geht, tatsächlich passiert. Bis dahin baut sich aber eine immer bedrohlichere Stimmung auf, das Kindheitsparadies zerfällt immer mehr, es bilden sich Risse in der Freundschaft der fünf Kinder. Mit fast jedem Kapitel wird zwischen den Jahren 1986 und 2016 gewechselt. Alle Hauptfiguren sind ambivalent dargestellt und haben ihre Geheimnisse. Eddie, der Erzähler, ist als Erwachsener ein bindungsscheuer Einzelgänger, der ein Alkoholproblem hat, was er sich und dem Leser erst nach und nach eingesteht. Dies alles macht ihn zwar für den Leser interessant, aber ein ganz großer Sympathieträger ist er nicht. Geschickt spielt die Autorin mit den Erwartungen der Leser. Doch was die richtige Lösung zu sein scheint, entpuppt sich am Ende als falsch. Wie sagt es Eddie so passend? Der Mensch stellt sich nur Fragen, zu denen er sich die richtigen Antworten erhofft. Apropos Ende: die letzten Seiten des Buchs gehören für mich zum Höhenpunkt. Vieles wird auf den Kopf gestellt, Theorien über den Haufen geworfen und ich hatte tatsächlich ein wenig Gänsehaut. Fazit: Ein Debut, das manchmal an Stephen King erinnert. Kein Thriller im herkömmlichen Sinne, aber dennoch fesselnd.