"Mein Name ist Marcos Flores, ich bin der Kommandant hier." Seine Stimme schallte รผber den Hof. "Ihr befindet euch im Frauengefรคngnis Esperanza, wo ihr eure Strafe absitzen oder auf euren Prozess warten werdet. Dies ist kein Gefรคngnis wie das berรผchtigte Palmasola, wo die Gefangenen sich selbst รผberlassen sind, wo Anarchie herrscht und Mord und Totschlag an der Tagesordnung sind. Hier herrscht Disziplin, und es ist meine Aufgabe, diese Disziplin durchzusetzen. Wer sich unauffรคllig verhรคlt und meine Anweisungen und die der Wachen sofort und widerspruchslos befolgt, hat nichts zu befรผrchten. Wer nicht ..." Flores machte mit dem linken Arm eine Geste, die den halben Hof umschloss. "Seht euch an, wie hier mit Aufrรผhrerinnen verfahren wird!" Wรคhrend Tejeda stehen blieb und die gefesselten, neu angekommenen Frauen im Auge behielt, schritt Flores zu der ersten Delinquentin. Nur ihr Kopf ragte aus einer in die Erde eingelassenen Betonrรถhre, deren Durchmesser es der Frau gerade erlaubte, darin mit eng an den Leib gepressten Armen zu stehen. Die Rรถhre war sogar so eng, dass die Frau auch dann stehen bleiben wรผrde, wenn sie das Bewusstsein verlรถre. Ihre Augen waren halb geschlossen, das Gesicht vom Nachmittag in der gnadenlosen Sonne gerรถtet. Die Haut an ihrer Nase hing in Fetzen hinunter, und sie trug einen ledernen Knebel, der ihr kaum mehr als ein Stรถhnen erlaubte. "Diese hier hat einen der Wรคrter tรคtlich angegriffen. Sie wird es sich sehr sorgfรคltig รผberlegen, bevor sie dieses Vergehen wiederholt." Er schritt einige Meter weiter. Eine nackte Frau mit schulterlangen Haaren hing mit weit รผber dem Kopf gefesselten Hรคnden an einem Pfahl. Eine eiserne Stange, die in Fuรschellen endete, spreizte ihre Beine, der Sand dazwischen war dunkel vor Nรคsse. รber Oberschenkel, Bauch und Brรผste zogen sich ein Dutzend Striemen, deren Farbspektrum von feuerrot bis tiefviolett reichte. "Sie hat รผber das Essen geschimpft und ihre Mitgefangenen aufgefordert, in einen Hungerstreik zu treten. Nun wird sie einen dreitรคgigen Hungerstreik in einer lichtlosen Einzelzelle antreten, sobald sie losgebunden wird." Ein kurzer Seitenblick zu den Neuzugรคngen verriet Flores, dass die Demonstration ihren Zweck erfรผllte. Sogar รผber die Entfernung von mehr als 20 Metern hinweg bemerkte er, dass einigen die Knie zitterten. Und die Deutsche war inzwischen noch bleicher als die Marmorstatue, mit der er sie verglichen hatte. Sie sah aus, als stรผnde sie kurz vor einer Ohnmacht. Unschรถnes Ende einer heiรen Urlaubsromanze: Hรคtte die naive junge Deutsche Anita Wachter sich nicht so wohlig den Liebeskรผnsten des charmanten, stets gut gelaunten Harry Weber hingegeben und wรคre sie ihm nicht vertrauensselig nach Bolivien gefolgt, wรคre sie nicht als vermeintliche Mittรคterin eines Drogendeals hier gelandet, am Ende aller Zivilisation und Hoffnung: im Dschungelgefรคngnis. "Schlimmer kann es nicht mehr werden", hatte sie wรคhrend der langen Fahrt in Ketten gedacht. Was fรผr ein furchtbarer Irrtum ...