Die Frage nach den Ursachen für das Phänomen der Phraseologisierung, also der Verschmelzung freier Wortgruppen zu festen, reproduzierbaren Wortschatzeinheiten, ist bisher noch wenig erforscht. Auch die sich dabei ergebende Differenz zwischen ursprünglicher (also 'wörtlicher') und phraseologischer Bedeutung wird in der Literatur und in Wörterbüchern mit Begriffen wie 'bildlich', 'figurativ' oder 'metaphorisch' nur unzulänglich beschrieben. Weitaus präzisere Aussagen lassen sich in diesem Punkt treffen, wenn man sich das ornatus-System der klassischen Rhetorik zunutze macht und phraseologische 'Mini-Texte' (vgl. seine Brötchen verdienen, nur mit halbem Ohr hinhören usw.) einer rhetorischen Textanalyse unterzieht. Voraussetzung dafür sind freilich klare und praxistaugliche Definitionen zu den einzelnen Erscheinungen, die in der Phraseologie des Deutschen nachzuweisen sind. Der erste Teil der Arbeit dient daher der terminologischen Vorklärung: Hier werden Prinzipien der semantischen Übertragung (Metapher, Metonymie, Synekdoche usw.) sowie ausdrucksseitig auftretende Elemente wie Alliteration, Reim, Paronomasie etc. eingehend erörtert und voneinander abgegrenzt. Die im zweiten Teil durchgeführte empirische Analyse von Phraseologismen mit dem so bereitgestellten 'Werkzeug' der Tropen- und Figurenlehre erweist sich als überaus ergiebig. In keinem anderen Bereich der gesprochenen oder geschriebenen Sprache treten rhetorische Gestaltungselemente so geballt auf wie in den phraseologisierten Wortfügungen. Dabei scheinen solche Phänomene wie Metonymie (bis ins Grab), Synekdoche (unter vier Augen), Oxymoron (beredtes Schweigen) oder Alliteration (klar wie Kloßbrühe) an der Verfestigung der einst freien Lexemverbindungen maßgeblichen Anteil zu haben. Trotz der Beschränkung auf einige hundert Redewendungen des Deutschen weist diese Untersuchung weit über das Gebiet der Germanistik hinaus: Es werden Ursachen und Wege der Phraseologiebildung beschrieben, die sich ebenso auch in zahlreichen anderen Sprachen beobachten lassen.