Ein Google-Nutzer
Bewegend "Loyalitäten" von Delphine de Vigan hat mich sehr berührt. Hauptperson ist der 12 jähige Theo, ein Scheidungskind, bei dem alles in Ordnung zu sein schein, dessen Lehrerin aber ein unbegründetes, ungutes Gefühl hat. In relativ kurzen Kapiteln wird jeweils über bzw. aus der Sicht von Theo, Theos Lehrerin Helene, seinem Freund Mathis oder dessen Mutter erzählt. Jede der Personen hat seine Probleme und seine Loyalitäten, spielt seine Rolle, vermittelt nach außen, es sei alles in Ordnung. Der Wechsel der Perspektiven im Buch hat mir sehr gut gefallen, dadurch wurde die Geschichte von mehreren Seiten beleuchtet und dadurch noch deutlicher. Ein Buch, das mich bewegt, berührt und bedrückt hat und das auffordert auch wenn alles gut aussieht, genauer hinzusehen.
Nadja G.
Der junge Théo kommt aus zerrüttenden Familienverhältnissen, da seine Eltern geschieden sind und ihren Ex-Ehekrieg über den Jungen ausüben, ohne zu ahnen was sie ihm damit antun. Um mit diesem Liebesentzug umzugehen, beginnt Théo zu trinken. Erst wenig, doch die Mengen werden immer größer und der Alkohol hochprozentiger. Einzig sein bester Freund Mathis kennt sein Geheimnis und ahnt wie schlimm es um seinen besten Freund steht. Doch keiner der Außenstehenden (Eltern, Lehrer) bemerkt etwas, nur die aufmerksame Lehrerin Hélène bemerkt dass etwas mit ihm nicht stimmt und versucht hinter sein Geheimnis zu kommen. Kann sie seine sorgsam um sich gebaute Mauer durchbrechen, die allen eine weitestgehend intakte Familie vorspielt? Die Geschichte ist aus verschiedenen Perspektiven geschildert und bildet so ein einheitliches Bild der Geschehnisse unterschiedlich wahrgenommen. Théos Teil hat mir am besten gefallen, da er eindringlich und präzise seine Empfindungen und Gefühle wiedergibt ohne unnötige Wörter zu gebrauchen. In jeder Zeile schwingt seine Verzweiflung mit und sein Wunsch aus diesem Leben zu treten. Dabei sehnt er sich nach dem leichten schwerelosen Gefühl, das ihm der Alkohol beschafft bis hin zur Bewusstlosigkeit, um dieses Leben nicht mehr ertragen zu müssen. Die Passagen zu seinen Eltern haben mich wütend und fassungslos gemacht. Sie sind so mit sich selbst beschäftigt, dass sie ihn komplett vernachlässigen und ihren Krieg auf seinem Rücken austragen, obwohl er in keiner Weise dafür verantwortlich ist. Einzig Hélène bemerkt etwas, da sie selbst aus schwierigen Familienverhältnissen stammt. Einerseits hätte sie mehr tun können, wie ich finde. Andererseits ist sie ja "nur" die Lehrerin und wenn selbst die Eltern von Théo bzw. die Mutter und auch sonst kein Lehrer etwas merkt, sind ihr da wohl oder übel die Hände gebunden. Sie überschreitet ihre Grenzen, aber helfen tut sie im leider nicht. Mathis' Sicht kann ich auch gut verstehen. Er merkt, dass Théo ein gefährliches Spiel mit sich und seinem Körper spielt, traut sich dennoch nicht etwas zu sagen, weil er ihn damit verraten würde. Auch wenn es für Théo besser gewesen wäre, wenn endlich jemand sein verstecktes Leid erkannt hätte, kann ich Mathis verstehen. Es sind immerhin 12/13-jährige verunsicherte Jungen, die sich evt. vor Strafen und Ärger fürchten. Es werden zahlreiche Unternehmungen unternommen mehr über Théos Zustand zu erfahren, doch bis auf Vermutungen und halbherzigen Versuchen bleibt nichts. Das Ende hat es nochmal in sich und bildet den gefährlichen Höhepunkt einer langwierigen Geschichte. Bei einem gefährlichen Spiel auf einer vereisten Baustelle nimmt das Verhängnis seinen Lauf, der für manchen böse enden könnte. Leider bleibt das Ende offen und es ist unklar ob Théo die ersehnte Erlösung im Alkohol findet oder nicht. Eines jedoch ist klar, dass Hélène den Hilferuf eindeutig vernommen hat und vielleicht besteht noch Hoffnung.
S. L.
Die Autorin hat das Buch nicht nur aus der Sicht Theos geschrieben, sondern sie wechselt zwischen der Lehrerin Helene, seinem Freund Mathis und dessen Mutter Cecile. Dadurch kommt sie mit ganz wenig wörtlicher Rede aus, ohne dass es langweilig wird. In sehr kurzen Kapiteln kommen sowohl Theos Gedanken, Wünsche, Ängste und Sorgen ans Licht, aber auch von den anderen Erzählern die Sorgen und Ängste um Theo und die Lage spitzt sich immer mehr zu, bis sie in einem dramatischen Showdown endet. Das Buch war an keiner Stelle langweilig. Ich fand es zwar vom Thema sehr traurig, aber Delphine de Vigan hat hier eine hervorragende Sprache gebraucht und versteht es, den Leser zu fesseln. Dadurch, dass es immer mehr gescheiterte Ehen und Beziehungen gibt, ist das Thema des Buches aktueller denn je. An einigen Stellen musste ich innehalten und erst mal schlucken. Die Auswirkungen auf unschuldige Kinder sind enorm und viele Eltern machen sich überhaupt keine Gedanken, welche Auswirkungen ihr Verhalten auf ihre Kinder hat. Das Buch wirkt definitiv nach und regt sehr zum nachdenken an. Sehr gesellschaftskritisch wird hier anhand von Theo ein sehr schwieriges Thema angesprochen, aber durch die Leichtigkeit, die die Autorin durch ihre Schreibweise hinein brachte, ist das Buch angenehm zu lesen. Ein Highlight dieses Jahr unter den vielen Büchern, die geschrieben wurden.